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Dienstag, 21. Dezember 2021

Föderalismus und Corona

 Da ja viel über den Föderalismus, gerade in der Corona-Krise geschimpft wird hier meine Gedanken dazu:

Ich betrachte es einfach mal etwas chronologisch.

In der ersten Welle waren es zunächst die Länder, die handelten. Es wurden Notstände ausgerufen. Natürlich handelte auch der Bund, indem z.B. die "epidemische Lage nationaler Tragweite" ausgerufen wurde. Aber wichtiger waren die Handlungen der Länder. Es wurden viele Maßnahmen durchgeführt, die dazu führten, dass Deutschland die erste Welle eigentlich relativ glimpflich überstand.

Der Föderalismus funktionierte also im Großen und Ganzen.

Sofort wurde von den Medien und den Lobbygruppen das Lied von den einheitlichen Maßnahmen gesungen.

Hier ein kleiner Einschub: Warum sollte man eigentlich einheitliche Maßnahmen haben wollen? Eigentlich betrifft das nur größere Konzerne. Die meisten Bürger wohnen und arbeiten ja meistens innerhalb des selben Bundeslands und selbst wenn nicht sind es dann auch nur zwei Bundesländer. Reisen waren ja eh größtenteils eingestellt. Sich also über die Regeln des eigenen Bundeslandes zu informieren sollte für jeden eigentlich nicht die große Hürde sein.

Wie auch immer, jedenfalls wurde beschlossen künftig Maßnahmen über die Ministerpresidentenkonferenz (MPK) mit den anderen Ministerpräsidenten und der Kanzlerin abzustimmen. Leider ist das dann Föderalismus at its worst. Da das Gremium eigentlich nichts beschließen kann, weil die Durchführung dann doch wieder bei den Ländern liegt, läuft es auf einen Minimalkonsens hinaus, wenn man einheitliche Regelungen haben will.

Genau das beobachtete man dann auch in der zweiten Welle: Dieser Lockdown Light war genau solch ein Minimalkonsens. Erst kurz vor Weihnachten scherten dann einige Landesregierungen wieder aus und setzten, zumindest etwas wirkungsvollere, Maßnahmen in ihren Ländern durch. Es gab dann wieder MPKs um das Ganze wieder zu glätten, aber das zog sich ja dann auch hin.

In der dritten Welle rang sich dann der Bund zur Bundesnotbremse durch, um diese Minimallösungen zumindest etwas einzuhegen.

Und jetzt in der vierten Welle sind wir wieder bei Föderalismus und MPKs, mal sehen wie es jetzt funktionieren wird.

Zum Impfen:

Die Beschaffung der Impfstoffe erfolgte über EU und Bund und es wurden dann Impfstoffe an die einzelnen Bundesländer verteilt, welche dann die Infrastruktur mit den Impfzentren etc. bereitstellten (häufig auch noch weiter verteilt an Kommunen und Gemeinden). Es war zunächst nicht genug Impfstoff vorhanden, so dass es eine Priorisierung und auch einige Probleme gab, aber das ist ein anderes Thema.

Die Vergabe von Impfterminen wurde zunächst, zumindest in den meisten Bundesländern, von den Ländern organisiert. Hier wurden, zum Teil, schwere Fehler gemacht.

Was spricht gegen eine Vergabe von Terminen über die Daten der Meldeämter? Zumindest die Priorisierung nach Alter hätte man damit machen können. Vielleicht über die Krankenkassen?

OK, gehen wir davon aus, dass das aus irgendwelchen Datenschutzgründen, oder anderen rechtlichen Gründen nicht funktioniert.

In manchen Ländern wurde das ja besser organisiert und in manchen schlechter. In Baden-Württemberg war es jedenfalls eine Katastrophe. Es gab eine Webseite und eine Telefonnummer. Die Webseite funktionierte dann so: Man wählte zunächst ein Impfzentrum aus, gab dann ein paar Daten ein und dann bekam man gesagt ob da noch freie Impftermine wären. Wenn nicht, dann musste man das alles später wiederholen. Telefonisch war es zumindest etwas besser, weil man dort nicht an ein Impfzentrum gebunden war und dann quasi eine Umkreissuche machen konnte. Natürlich gab es dann Skripte und private Webseiten, die dann etwas geholfen haben, aber nicht wirklich viel.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir die Impfquote hätten erhöhen können, wenn dieser ganze Prozess weniger lästig gewesen wäre.

Zunächstmal ist diese komische Auswahl nach Impfzentrum zu bemängeln. Warum kann mir das Teil nicht einfach alle freien Termine bei allen Impfzentren in der Umgebung anzeigen?

Dann eine etwas grundlegendere Änderung: Warum gestaltet man so etwas nicht wie folgt? Man meldet sich an, gibt dann seinen Ort (vielleicht noch mit einem Umkreis, in dem auch gesucht werden soll) an, seinen Namen und eine E-Mail-Adresse oder eine Telefonnummer und die Priogruppe. Und dann bekommt man einfach eine, wenn dann ein passender Termin frei ist, E-Mail, oder einen Anruf mit dem Termin, den man dann natürlich noch bestätigen muss, aber das wären dann zwei Besuche der Webseite, bzw. zwei Anrufe gewesen.

Das hätte auch von der Infrastruktur weniger Serverlast erzeugt, bzw. auch weniger Anrufe bei der Hotline. Ok, am Anfang vielleicht etwas mehr, aber insgesamt weniger, da diese Besuche/Anrufe, bei denen keine Termine mehr frei waren, entfallen wären.

Da könnte man ja sagen: "Ja wäre das mal vom Bund durchgeführt worden". Äh nein, wenn ich mir Jens Spahn und das Bundesgesundheitsministerium so anschaue eher nicht. Dann hätte es nämlich das schlechtestmögliche System für ganz Deutschland gegeben (anscheinend gab es ja in manchen Bundesländern auch etwas bessere Systeme, in Bremen z.B. scheint das mit dem Impfen ja ganz gut funktioniert zu haben).

Zusammenfassend möchte ich sagen: Der Föderalismus war für mich hier nicht der entscheidende Faktor für die schlechte Performance Deutschlands in der Corona-Krise, es gab gute Einflüsse des Föderalismus, aber auch schlechte. Ich will mir nicht unbedingt vorstellen, wie das Ganz zentral gesteuert mit der vergangenen Bundesregierung so abgelaufen wäre. Manche Dinge wären vielleicht besser gelaufen, aber manche andere auch deutlich schlechter.

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